Diskussionsrunde: Solventdruck – tot oder aktuell?

Am 24. März 2021 versammelten sich sechs Personen in einem Mimaki-Webinar um dieser Frage nachzugehen: Solventdruck – tot oder aktuell?
Dieser Text ist eine Zusammenfassung der Diskussion mit:
– Fumi Machida – Moderation, Marketing Communications Coordinator, Mimaki Deutschland
– Frank Jänschke – Senior Sales Manager Südwest, Mimaki Deutschland
– Benjamin Bley – Sales & Application Specialist Süd, Mimaki Deutschland
– Frank Teusch – Inhaber von Teusch Werbetechnik
– Sonja Angerer – freie Fachjournalistin, schreibt u.a. für Fespa Online
– Frank Marquart – Senior Technical Marketing Manager, Avery Dennison
(Das Video der gesamten Diskussion finden Sie hier.)

Solvent ist das Nonplusultra

Machida (Moderation): Herr Teusch, Sie sind seit über 30 Jahren als Werbetechniker tätig, arbeiten mit Mimaki Solventdrucker und haben sich vor kurzem ein neues Modell angeschafft. Können Sie uns erklären, was Sie damit produzieren?

Teusch: Das Hauptgeschäft bei einem Werbetechniker fängt an bei Plakaten, Rollups, Aufkleber, Folien für Schilder. Aber ein großer Teil macht auch die Fahrzeugbeschriftung aus – ob ganz oder teilweise.

Machida: Wie wir alle wissen, gibt es auch andere Rollendrucksysteme. Können Sie uns sagen, warum Sie Solvent-treu geblieben sind? Auf welche Medien legen Sie wert?

Teusch: Im Solvent-Bereich habe ich immer noch die größte Auswahl an Medien: Folie, Papier, Rollup-Medien, etc. Die Drucker sind deutlich energieeffizienter als z.B. ein Latexdrucker.
Wenn man die Datenblätter des Herstellers beachtet und die Folien entsprechend anwendet, kann ich von meinem Gefühl her mit solvent-geeigneten Medien besser umgehen als mit UV oder Latex. Was mir auch wichtig ist, ist eine lange UV-Stabilität der Tinten und die ist bei Solvent absolut gegeben. Daher ist für mich Solvent, was meinen Bereich betrifft, das Nonplusultra.

Machida: Benjamin, als Application Specialist hast du oft direkte Kundenkontakte. Du machst bei Mimaki viele Demonstrationen, auch während der Corona-Zeit. Und vor der Corona-Krise warst du auf vielen Messen unterwegs. Wenn du mit den Kunden sprichst, was sind aus deiner Sicht die typischen Anforderungen von Solvent-Anwendern?

Bley: Die Solventtechnik ist in jedem Werbetechnikerbetrieb nicht mehr weg zu denken und auch in Zukunft noch nicht. Sie sind noch überall stark vertreten. Die Hauptanwendungen sind Vinylfolien für Autobeklebungen, Schilder und verschiedene Aufkleber. Und das ist natürlich die größte Range an Produkten, die man als Werbetechniker abdeckt.

Machida: Ich stelle die Frage umgekehrt: Warum kann man einen UV- oder Latex-Drucker Interessierten nicht für Solventdruck begeistern? Du warst früher selbst Werbetechniker, was sagt deine Erfahrung?

Bley: Wir haben die UV-Technik im Flachbettbereich genutzt, um rigide Materialien wie Platten zu bedrucken. Damals hatten wir zwei Latex-Drucker und haben sie täglich benutzt. Nur wie Herr Teusch schon sagt, die Energieeffizienz dieser Maschine ist dem Solvent gegenüber nachteilig, weil der Stromverbrauch sehr hoch ist. Zudem ist meiner Meinung nach der Tintenverbrauch etwas höher.

Solventdruck dominiert den Digitaldruck-Markt

Machida: Ich möchte eine Statistik zeigen, die den Marktanteil von neu angeschafften Digitaldruckern im Sign Graphics Markt nach Typus (Solvent, UV oder Latex) in der DACH-Region zeigt. Die Entwicklung von 2017 bis 2020 ist zu sehen. Gezählt wurden die Maschinen mit der Druckbreite zwischen 105 und 180 cm. Diese Marktanalyse haben wir von der Marktforschungsagentur Infosource.

Jänschke: Von 2017 auf 2018 sieht man einen starken Aufwärtssprung in der UV-Technologie. Das hat den Hintergrund, dass zu dem Zeitpunkt der UV-Rollendruck auf den Markt gebracht wurde. Er hat im UV-Markt mehr Lösungen angeboten. Mit 13% Marktanteil hat sich der UV-Bereich auf einem guten Niveau stabilisiert. Während der Latex-Bereich durch den großen Sprung der Vielfältigkeit im UV-Bereich abgenommen hat und bis heute diesen, fast 10% Rückgang, nicht mehr zurückgewinnen konnte. Aber der Solvent-Bereich, der erst auf 54% eingesackt ist, ist fast wieder auf dem Niveau von 60% wie 2017.

Machida: Frau Angerer, als Fachjournalisten sind Sie immer an der Front, wenn es um Neuigkeiten in der Digitaldruck-Branche geht. Inwiefern beschäftigen Sie sich aktuell mit Solventdruck?

Angerer: Es ist tatsächlich sehr schade, denn es kommen relativ wenig Pressemeldungen rein, die mit Solventdruck zu tun haben. Das liegt vermutlich auch daran, dass die Medienlandschaft unheimlich trend-getrieben ist. Und zum Trend der Nachhaltigkeit sind viele Fachjournalisten der Meinung, dass der Solventdruck nicht dazu gehört. Ich bin ein bisschen anderer Meinung. Nachdem der Strom in Deutschland immer noch aus Atomstrom und im Zweifelsfall von den Nachbarländern kommt, muss der Stromverbrauch auch in die ökologische Rechnung miteinbezogen werden. Aber nein, leider ist es tatsächlich so, dass der Solventdruck wie ein Hidden-Champion ist.

Best-of Solventdruck

Machida: Frau Angerer, Sie haben einen Instagram Account „largeformat_de“, da zeigen Sie auch viele Großformat-Anwendungen, denen Sie so im Alltag begegnen. Wir haben im Vorfeld ein paar Fotos von Ihren Lieblings-Large-Format-Drucken bekommen, könnten Sie was dazu erzählen?

Angerer: Das erste ist auf der Theresienwiese und was man nicht sieht ist die Bavaria, das ist tatsächlich mein absoluter All-Time-Favourite. Da war nämlich die Bavaria – für die nicht Münchner – das ist eine große Figur, ca. 20 Meter hoch. Sie wurde renoviert und eingerüstet, damals gedruckt mit einem Solventdrucker. Es war 2001 und eine andere Möglichkeit gab es nicht. Man sieht, wie schön die Farben waren und wie toll auch dieses Projekt gewesen ist. Das war damals eines der ersten Covers, das ich damals für das Large Format Magazin fotografiert habe.

Machida: Herr Teusch, können Sie uns etwas von Ihrem Best-of-Solventdruck erzählen?

Teusch: Da war die Vorgabe des Kunden, die Originalfarbe (Lizard Green) des Fahrzeuges beizubehalten, weil diese Farbe in der Sonne einen ziemlichen Effekt hat. Es sollte ein Verlauf mit draufgedruckt werden, aber die (Original)Farbe sollte trotzdem noch durchscheinen. Also haben wir hier eine transparente Digitaldruckfolie eingesetzt. Und die Herausforderung – was für mich so spannend war – lag daran, die Originalfarbe des Fahrzeugs noch herausscheinen zu lassen, aber auch im hinteren Bereich des Fahrzeugs so eine Art „Ghost-Streifen“ zu erzeugen. Je mehr Tinte drauf desto weniger sieht man die Streifen, aber wenn die Sonne draufscheint, dann blitzen trotzdem die einzelnen Streifen heraus.

Machida: Und diese Anwendung zu produzieren ist auch nur möglich mit einem passenden Material. Deswegen haben wir heute Herrn Marquart von Avery Dennison eingeladen. Herr Marquart, bemerken Sie hinsichtlich der Medienauswahl Ihrer Kunden eine neue Bewegung?

Marquart: Neben allgemeinen Anfragen nach zweckmäßigen Medien im Hinblick auf spezielle Anwendungen, Haltbarkeitsanforderungen, Kompatibilität für einzelne Druckersysteme, oder ob eine bestimmte Zertifizierung für das Medium vorliegt, stellen wir einen leichten Anstieg von nachhaltigen Lösungen fest. Oft haben die Kunden aber keine eindeutige Vorstellung davon. Auf unsere Nachfragen wird nach einer PVC freien Alternative gefragt. Wir sehen PVC freie Folien allerdings nicht immer als die bevorzugte Wahl. Es hängt tatsächlich von der gewünschten Anwendung ab, ob eine PVC freie Folie wirklich die bessere Alternative ist oder nicht.

Machida: Wir wollen ehrlich sein: Der Solventdruck hat auch einen Schwachpunkt, den Geruch. Auch wenn die Tinte z.B. eine Greenguard Gold Zertifizierung hat, heißt das nicht, dass sie beim Drucken geruchsneutral ist. Frank, würdest du sagen, dass der Geruch beim Verkauf zum Hindernis werden kann?

Jänschke: Die Zeiten, in denen der Geruch beim Drucken mit Solvent nahezu unerträglich war, sind schon längst vorbei. Während des Drucks riecht der Solventdruck immer noch. Aber er dunstet in dieser Zeit auch aus und nach 6-8 Stunden wird er geruchsneutral. Dank der Greenguard Gold Zertifizierung wird garantiert, dass auch in Innenräumen keine gefährlichen Stoffe ausdünsten. Und wenn jemand den Geruch während des Drucks reduzieren möchte, dann haben wir (Mimaki) Lösungen gefunden, um den Geruch bis zu 50% zu reduzieren.

Ist Digital Signage die neue Konkurrenz?

Machida: Dann möchte ich noch auf ein Thema eingehen, das nicht nur den Solventdruck betrifft, sondern den Großformatdruck allgemein. Wenn wir heute in Einkaufshäusern oder draußen spazieren gehen, sehen wir in Außenwerbungen die bildschirmgestützte Werbeform, also Digital Signage. Hier habe ich ein Diagramm vom Fachverband Außenwerbung. Das zeigt die Entwicklung, wie sich der analoge und digitale Anteil von Außenwerbung in Deutschland entwickelt hat. Von 2018 auf 2019 sehen wir, dass 30% aller Außenwerbungen in Deutschland schon aus Bildschirmen besteht. 70% ist gedruckt. Das hat sich im Vergleich zum Vorjahr 2018 um 6% vermehrt. Herr Teusch, sehen Sie persönlich Digital Signage als eine Gefahr für Ihr Geschäft?

Teusch: Da sehe ich gar keine Gefahr für meinen Bereich. Ja digital kommt immer mehr, hat auch große Vorteile, aber in meinem Bereich – der Handwerker, der Schreiner, der Dachdecker, der eine Fahrzeugbeschriftung braucht – da können wir mit digital nicht viel anfangen.

Machida: Da sind wir erleichtert. Herr Marquart, kann Digital Signage Ihr Geschäft beeinflussen?

Marquart: Während Digital Signage in einigen Bereichen der Innen- und Außenwerbung stärker vertreten ist, sehen wir in diesem Segment auch für analoge Medien immer noch ein Wachstum im Großformatdruck. Insofern, es gibt Anwendungen, für die Bildschirme geeignet sind, aber es gibt auch Beispiele, wo Digital Signage an seine Grenzen stößt. In Bezug auf Fußbodengrafiken usw. ist die analoge Technik immer noch die einzige Lösung. Und ob sich das ändert in naher Zukunft, müssen wir schauen wie sich die Technologie weiter anpasst. Aber im Moment ist es kein großes Problem für kurzfristige Anwendungen.

Schlussfolgerung

Machida: Was sagen Sie, ist der Solventdruck tot, aktuell oder fifty-fifty?

Angerer: Ich denke, dass Solventdruck überhaupt nicht tot ist. Er hat allerdings im Augenblick ein Kommunikationsproblem, was ich schade finde. Aber tot auf gar keinen Fall.

Teusch: Latex und UV werden gehypt und dadurch tritt Solvent in den Hintergrund. Aber ich sehe überhaupt keine Gefahr.

Marquart: Ich würde sagen fifty-fifty. Es gibt immer noch Vorteile von einzelnen Tinten am Markt. Solventdruck hat auch weiterhin ein festes Standbein.

Jänschke: Solventdruck erfindet sich immer wieder neu und findet neue, gute Anwendungsmöglichkeiten. Auch wir Hersteller entwickeln unsere Solventlösungen immer wieder weiter, um neue Anwendungen zu ermöglichen. Solventdruck ist vielleicht ein ‚Opa‘, aber immer noch top fit, um mit den Jungen mitzuhalten.

Bley: Ich sehe das ähnlich, Solventdruck ist seit langem überall vertreten. Die neuen Techniken kommen auch und werden sich neben dem Solventdruck aufstellen. Solventdruck wird auch weiterhin bestehen.

Machida: Vielen Dank für die Einschätzungen!

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